Es ist ein milder Frühlingsnachmittag. Die Sonne fällt schräg durch die Fenster der alten Veranda und legt warme Streifen auf das gealterte Holz des Bodens.
Der Raum ist still, nur draußen im Garten zwitschern Vögel, und der Duft von frischem Gebäck mischt sich mit einem Hauch getrocknetem Lavendel. Hier scheint die Zeit ein wenig langsamer zu vergehen – als würde sie atmen.
Drei Frauen sitzen in bequemen Schaukelstühlen mit weichen, geblümten Bezügen. Ihre Bewegungen sind ruhig, vertraut. Die Hände stricken, die Gespräche fließen leise dahin – wie schon seit Jahrzehnten.
Zwischen ihnen steht ein Tablett mit feinem Porzellan: Tassen, eine Kanne, kleine Teller. Zarte Blüten auf elfenbeinfarbenem Grund – Marie-Luise von Seltmann Weiden. Es wirkt wie aus einer anderen Zeit – und ist doch nie wirklich vergangen. Seit über 40 Jahren treffen sie sich so.
Früher mit kräftigem Kaffee und Marmorkuchen, heute mit Kräutertee und leichterem Gebäck. Was sich verändert hat, ist nebensächlich. Was bleibt, ist das Gefühl: Zusammenkommen, erzählen, innehalten.
Auch das Porzellan ist geblieben. Und gerade weil es nicht modern wirken will, passt es so gut in unsere Zeit. Retro wird nicht neu erfunden – es wird wiederentdeckt.
Weil es Wärme gibt. Wiedererkennung. Ein Muster, das Kindheit in sich trägt. Ein Henkel, der vertraut ist. Was früher einfach da war, wird heute bewusst gepflegt.
Da öffnet sich die Verandatür. Ein Mädchen, vielleicht zwölf, kommt herein. Sie lässt ihren Rucksack in die Ecke fallen, setzt sich auf einen freien Stuhl. Vor ihr steht eine Tasse mit ähnlichem Muster wie die ihrer Großmutter. Heiße Schokolade dampft darin. Sie kichert, erzählt von der Schule, von kleinen Geheimnissen.
Früher saß sie hier auf dem Schoß ihrer Großmutter. Heute nimmt sie selbst Platz – wie selbstverständlich. Denn diese Nachmittage gab es schon lange, bevor sie geboren wurde.
Und es ist genau das, was sie fortführt: eine kleine Tradition, die nie laut war, aber nie aufgehört hat.